Nach wiederholten Auseinandersetzungen mit dem Hauptentwickler des Dateisystems Bcachefs hat Linus Torvalds nun eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen: Der Code von Bcachefs wird im Linux-Kernel zwar weiterhin enthalten bleiben, jedoch mit dem neuen Status „extern gewartet“. Damit deutet Torvalds an, dass die Verantwortung für die Weiterentwicklung nicht mehr im Kernteam liegt. Die Maßnahme ist ein Novum in der Geschichte des Linux-Kernels und sorgt sowohl in der Entwicklergemeinde als auch in der Open-Source-Welt für Diskussionen. Darüber berichtet nume.ch unter Berufung auf heise.de.
Die Entscheidung bedeutet im Klartext, dass Bcachefs in Linux zwar nicht entfernt wird, aber vorerst keine nennenswerten Anpassungen erhält. Der Code verbleibt auf dem Stand von Linux 6.16, da Torvalds die von Bcachefs-Entwickler Kent Overstreet für Version 6.17 eingereichten Änderungen nicht übernommen hat. Für Nutzer, die Bcachefs bereits einsetzen, hat dies jedoch den Vorteil, dass Kernel-Updates bis einschließlich Version 6.17 und darüber hinaus ohne Probleme durchgeführt werden können. Damit wird eine gefürchtete Regression vermieden – ein Szenario, das Torvalds seit jeher strikt ablehnt.
Gleichzeitig mahnen Experten zur Vorsicht: Solange Anwender oder Distributionen ausschließlich den im Kernel verbliebenen Code nutzen, funktionieren Updates störungsfrei. Komplikationen könnten jedoch auftreten, wenn Overstreets externe Bcachefs-Varianten oder begleitende Userspace-Tools eingesetzt werden. Diese könnten Änderungen an Dateisystemstrukturen verursachen, die mit dem offiziellen Kernel-Code inkompatibel sind. In einem solchen Fall würde Linux das Einhängen des Dateisystems verweigern – mit potenziell gravierenden Folgen für Nutzer.
Ein möglicher Ausweg wäre, dass ein dritter Entwickler die Aufgabe übernimmt, Overstreets externen Code in den Kernel einzubringen und die Pflege langfristig zu gewährleisten. Doch die Chancen dafür gelten als gering: Ein früherer Mitentwickler hatte nach internen Konflikten bereits die Arbeit an Bcachefs aufgegeben. Die Zusammenarbeit mit Overstreet gilt in der Community als äußerst schwierig.
Die Spannungen zwischen Overstreet und Torvalds sind nicht neu. Immer wieder hatte Overstreet während der Stabilisierungsphase neuer Kernel-Versionen größere Codeänderungen eingereicht – ein Vorgehen, das Torvalds und viele andere Entwickler als riskant und unprofessionell einstufen. Das Linux-Entwicklungsmodell sieht klare Regeln vor, wann und wie Änderungen einzubringen sind. Dass Overstreet diese Prinzipien mehrfach missachtet hat, führte nicht nur zu Konflikten mit Torvalds, sondern auch zu Spannungen mit zahlreichen anderen Kernel-Entwicklern. Schon bei seinem früheren Projekt Bcache kam es zu ähnlichen Auseinandersetzungen, die letztlich in seinem Rückzug von der Betreuung dieser Technologie mündeten.
Die aktuelle Statusänderung im Kernel wurde offenbar nicht im Alleingang beschlossen, sondern in Abstimmung mit anderen zentralen Linux-Entwicklern. Dies deutet darauf hin, dass Torvalds für seine Maßnahme Rückhalt in der Community hat. Welche praktischen Folgen sich daraus ergeben, ist jedoch noch offen. Große Distributionen wie Debian, Fedora oder openSUSE dürften weiterhin die Kernel-interne Version von Bcachefs nutzen – oder sie komplett deaktivieren. Dass Distributoren Overstreets externen Code übernehmen, gilt als äußerst unwahrscheinlich, da dies die Wartung erheblich erschweren würde. Zudem könnten Kernel-Entwickler Bug-Reports von solchen Systemen pauschal zurückweisen, da diese auf nicht offiziellen Änderungen basieren.
Kleinere Distributionen könnten hingegen den Schritt wagen und Overstreets Code integrieren, um gezielt Nutzergruppen anzusprechen, die sich für Bcachefs begeistern. Für die Mehrheit der Linux-Anwender bleibt die Situation jedoch ambivalent: Bcachefs ist im Kernel vorhanden, stagniert dort aber – ein Kompromiss, der einerseits Stabilität sichert, andererseits die Weiterentwicklung blockiert.
Bleiben Sie informiert – Relevantes. Jeden Tag. Lesen Sie, worum es heute wirklich geht: Nvidia stellt GB10 vor: Neuer Kombiprozessor für leistungsstarke Workstations und Mini-PCs
Foto von linuxiac