Seit dem 12. Oktober 2025 erlebt der Osten Spaniens eine der heftigsten Wetterkatastrophen der vergangenen Jahre. Die isolierte Höhentiefdrucklage, bekannt als DANA „Alice“, brachte innerhalb weniger Stunden sintflutartige Regenfälle über Katalonien, Valencia, Murcia und die Balearen. In mehreren Regionen wurden über 100 Liter Regen pro Quadratmeter in weniger als einer Stunde gemessen – Werte, die selbst in den regenreichen Mittelmeerwintern selten auftreten.
Besonders dramatisch ist die Lage in den südlichen Bezirken Les Terres de l’Ebre in der Provinz Tarragona, wo Gemeinden wie Amposta, Godall, Santa Bárbara und Ulldecona unter Schlammmassen und Überschwemmungen leiden. Straßen und Häuser stehen unter Wasser, Keller wurden geflutet, Fahrzeuge von den Wassermassen fortgerissen. Über die Folgen berichtet Nume.ch, unter Berufung auf das spanische Medium Infobae, das über die „dramatischen Szenen in Tarragona und Valencia“ schreibt.
Nach Angaben der staatlichen Wetterbehörde AEMET handelt es sich um eines der stärksten Herbstunwetter der letzten Jahre. Die Behörde erklärte am Montag, dass sich im Bereich des westlichen Mittelmeers ein massives Tiefdruckgebiet gebildet habe, das warme Meeresluft mit kalter Höhenluft kollidieren ließ. Diese Kombination führte zu sogenannten stationären Gewitterzellen – sie bewegen sich kaum, entladen aber über Stunden enorme Regenmengen auf engem Raum.
Notfallplan und Rettungseinsätze in Katalonien
Die katalanische Regierung aktivierte am Sonntagabend den Notfallplan INUNCAT. Dieser wird nur bei extremen Hochwasserereignissen ausgelöst. Schulen, Sportanlagen und Gesundheitszentren blieben in den Bezirken Baix Ebre, Montsià, Terra Alta und Ribera d’Ebre geschlossen. Der Unterricht wurde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, und nicht dringende medizinische Termine wurden verschoben. Die Regionalregierung rief die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben und sich von Flussläufen, Unterführungen und Küstenstraßen fernzuhalten.
Feuerwehr und Zivilschutz waren im Dauereinsatz. In der Nacht von Sonntag auf Montag registrierten die Einsatzkräfte mehr als 340 Notrufe, davon 31 mit Personenrettungen aus überfluteten Fahrzeugen. Der Rettungsdienst SEM meldete 87 Einsätze, bei denen 36 Menschen medizinisch behandelt werden mussten. Eine Person wurde in schwerem Zustand ins Krankenhaus von Tortosa gebracht, vier weitere erlitten mittelschwere Verletzungen.
Am Dienstagmorgen befanden sich rund 250 Feuerwehrleute der Generalitat noch immer im Einsatz. Sie pumpten Keller aus, sicherten beschädigte Gebäude, beseitigten Bäume und Schlammreste. In einigen Gemeinden ist die Stromversorgung noch immer unterbrochen. Laut Behörden wird es mehrere Tage dauern, bis Straßen, Brücken und Infrastruktur vollständig freigeräumt sind.
Valencia im Ausnahmezustand
Auch in der Region Valencia herrschte Alarmstufe Rot. Besonders stark betroffen waren die Städte Gandía, Sueca und Cullera an der Küste. Dort fielen über 100 Liter Regen pro Quadratmeter in weniger als einer Stunde. Die AEMET warnte am Montag vor „extremer Gefahr“ und forderte die Bevölkerung über das nationale Warnsystem ES-Alert auf, zu Hause zu bleiben und keine überfluteten Straßen zu befahren.
Die Nacht von Sonntag auf Montag brachte massive Störungen im Verkehr. Autobahnen mussten gesperrt, Bahnlinien unterbrochen und der öffentliche Nahverkehr in mehreren Städten eingestellt werden. Der Euromed-Schnellzug zwischen Barcelona und Valencia konnte zeitweise nicht verkehren. Erst am Dienstagmorgen begannen die Behörden mit der schrittweisen Normalisierung. Schulen in überflutungsgefährdeten Gebieten blieben geschlossen, während der Rest des Schulbetriebs in der Stadt Valencia wieder aufgenommen wurde.
Städte unter Wasser – Zahlen und Schäden
In der Provinz Tarragona fielen binnen 48 Stunden bis zu 280 Liter Regen pro Quadratmeter, in der Stadt Gandía über 100 Liter innerhalb einer Stunde. Auch in L’Albufera de Valencia und Catarroja meldete die Wetterbehörde Regenmengen zwischen 40 und 45 Litern pro Quadratmeter. In Castellón, Artana und Tortosa kam es zu Stromausfällen, überfluteten Straßen und Erdrutschen.
Die Landwirtschaftsverbände der Region sprechen von erheblichen Schäden. Besonders Reisfelder, Zitrusplantagen und Olivenhaine stehen großflächig unter Wasser. Der wirtschaftliche Schaden dürfte in die zweistelligen Millionenbeträge gehen. Auch im Tourismus sind erste Auswirkungen spürbar, da Hotels und Campingplätze an der Küste beschädigt wurden.
Regierung reagiert mit Hilfsmaßnahmen
Die katalanische Regierung kündigte am Dienstag ein Hilfspaket in Höhe von zehn Millionen Euro an, um betroffene Familien und kleine Unternehmen zu unterstützen. Zusätzlich werden über die nationale Förderbank ICO zinsgünstige Kredite im Umfang von 50 Millionen Euro bereitgestellt. Gemeinden können außerdem den Status einer „Katastrophenzone“ beantragen, um Zugang zu weiteren staatlichen Mitteln zu erhalten.
In Valencia und Katalonien begannen am Dienstagmorgen Freiwilligenteams, unterstützt von der Zivilschutzorganisation AVPC, mit groß angelegten Aufräumarbeiten. Einsatzkräfte aus weniger betroffenen Regionen wurden nach Tarragona entsandt, um dort beim Abpumpen des Wassers, bei der Reinigung von Straßen und beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu helfen.
Warnung vor neuen Gewittern
Obwohl sich die DANA Alice langsam nach Nordosten verlagert, bleibt die Wetterlage instabil. Meteorologen rechnen mit weiteren lokalen Schauern und Gewittern, insbesondere auf den Balearen und im Norden Aragoniens. „Der gefährlichste Teil ist überstanden, aber die Böden sind gesättigt – jeder weitere Schauer kann neue Überschwemmungen verursachen“, erklärte ein Sprecher der AEMET am Dienstagvormittag.
Das Innenministerium wies darauf hin, dass viele Flussläufe weiterhin Hochwasser führen und sich Wasserstände nur langsam senken. In betroffenen Regionen gilt weiterhin erhöhte Wachsamkeit, da Hangrutschungen und Erdrutsche drohen.
Hintergrund: Warum „Alice“
Seit Frühjahr 2025 vergibt Spanien offiziell Namen für extreme DANA-Systeme, ähnlich wie bei Stürmen oder Hurrikanen. Das Ziel ist, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhöhen und die Kommunikation im Krisenfall zu vereinfachen. „Alice“ war das erste benannte Unwetter dieser Saison – und hat eindrucksvoll gezeigt, wie verletzlich die Mittelmeerküste gegenüber den Folgen des Klimawandels geworden ist.
Klimaforscher warnen seit Jahren, dass die mediterranen Tiefdruckgebiete durch steigende Meerestemperaturen intensiver werden. Mehr Energie in der Atmosphäre bedeutet mehr Feuchtigkeit und damit mehr Regen in kürzerer Zeit. DANA „Alice“ gilt nun als Paradebeispiel für diese Entwicklung – ein Unwetter, das meteorologisch zwar typisch ist, in seiner Wucht aber zunehmend beunruhigend.
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Foto von EFE/Enric Fontcuberta