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Die Europäische Kommission hat in Brüssel ein neues Cloud Sovereignty Framework vorgestellt – ein achtteiliges Bewertungssystem, das erstmals messbare Kriterien für digitale Eigenständigkeit definiert. Damit will die EU ihre Abhängigkeit von außereuropäischen Cloud-Anbietern verringern und langfristig eine souveräne Dateninfrastruktur aufbauen, berichtet nume.ch. Mit dem Framework sollen EU-Institutionen, nationale Behörden und Unternehmen künftig Cloud-Dienste nach einheitlichen Maßstäben auswählen können. Es ist Teil der umfassenden Digitalstrategie der Kommission, die auf rechtliche Kontrolle, technologische Unabhängigkeit und Cybersicherheit setzt.

Acht Kernziele für digitale Eigenständigkeit

Das Framework ersetzt abstrakte Prinzipien durch überprüfbare Fakten. Es umfasst acht Ziele, die strategische, rechtliche und technologische Dimensionen abdecken:

  • Kontrolle über Datenstandorte und Zugriffsrechte,
  • Schutz vor exterritorialer Rechtsdurchsetzung,
  • Transparente Lieferketten und Nachweise der Hardware-Herkunft,
  • Technologische Unabhängigkeit bei Schlüsselkomponenten,
  • Nachvollziehbare Governance-Strukturen und EU-basierte Entscheidungswege.

Die Kommission reagiert damit direkt auf den US Cloud Act, der amerikanischen Behörden Zugriff auf Daten europäischer Nutzer erlaubt. Anbieter müssen künftig offenlegen, wo Daten gespeichert, wer sie verschlüsselt und unter welcher Gerichtsbarkeit sie verarbeitet werden.

SEAL-System: Von Basis bis Hochsouveränität

Im Zentrum des neuen Systems steht der Sovereign European Assurance Level (SEAL) – ein Stufenkonzept, das die Souveränität von Cloud-Anbietern quantifiziert. Um eingestuft zu werden, müssen Anbieter technische und organisatorische Nachweise erbringen:

  • Unternehmensstruktur und Eigentumsverhältnisse,
  • physische Datenverarbeitungsorte,
  • eingesetzte Hardware und Software,
  • rechtliche Kontrolle über Tochtergesellschaften,
  • Schutzmechanismen gegen Zugriffe durch Drittstaaten.

Das Ziel: Objektivität und Transparenz bei der Bewertung. Damit sollen öffentliche Auftraggeber erkennen, welche Anbieter tatsächlich unabhängig agieren – und welche nur mit EU-Labels werben.

180 Millionen Euro für souveräne Cloud-Beschaffung

Die EU-Kommission plant parallel eine Beschaffungsinitiative im Volumen von 180 Millionen Euro, um Cloud-Dienste zu fördern, die SEAL-Kriterien erfüllen. Das Programm könnte den europäischen Markt nachhaltig verändern. Während europäische Anbieter profitieren sollen, haben auch Microsoft, Google und Amazon längst reagiert: Ihre EU-Cloud-Töchter garantieren lokale Datenspeicherung und Compliance mit EU-Recht.

Kleinere Anbieter stehen jedoch vor der Herausforderung, die hohen Anforderungen an Transparenz und Sicherheit zu erfüllen. Experten sehen darin sowohl eine Chance als auch ein Risiko: Das Framework könne Innovation fördern – oder Bürokratie verstärken.

Ein Baustein der EU-Digitalstrategie

Das Cloud Sovereignty Framework ergänzt Initiativen wie Gaia-X, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den Cloud and AI Development Act. Während Gaia-X auf föderierte Dateninfrastrukturen setzt, liefert das neue Framework konkrete Bewertungsparameter für Ausschreibungen und Zertifizierungen. Behörden können das System ab sofort anwenden, auch private Unternehmen dürfen es freiwillig übernehmen. Geplant sind regelmäßige Audits und SEAL-Zertifikate, um die Einhaltung der Standards zu überwachen.

Zwischen Regulierung und Realität

Unklar bleibt, wie das Framework mit bestehenden Zertifizierungen nach dem Cybersecurity Act harmonisiert wird. Kritiker warnen vor zusätzlicher Bürokratie, Befürworter sprechen von einem Meilenstein europäischer Digitalpolitik. Eines steht fest: Mit dem Cloud Sovereignty Framework schafft die EU erstmals einheitliche, überprüfbare Maßstäbe für digitale Souveränität. Europa setzt damit ein Signal – weg von Abhängigkeit, hin zu Kontrolle über Daten, Technologie und Infrastruktur.

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