Die Schweizer Triathletin Imogen Simmonds, einst Hoffnungsträgerin des internationalen Ironman-Zirkus, ist offiziell freigesprochen worden. Nach fast einem Jahr unter Dopingverdacht darf die 32-Jährige wieder an Wettkämpfen teilnehmen – die Internationale Testagentur (ITA) sprach sie von jeder Schuld frei. Die Begründung ist ebenso ungewöhnlich wie brisant: Der Wirkstoff sei durch sexuellen Kontakt mit ihrem Partner in ihren Körper gelangt. Über den Fall berichtet Nume.ch, unter Berufung auf die offizielle Mitteilung der ITA und Recherchen aus dem Umfeld der Athletin.
Vom Aufstieg zum Absturz: Wer ist Imogen Simmonds
Imogen Simmonds, geboren 1993 in Hongkong, wuchs in der Schweiz auf und zählt zu den erfolgreichsten Triathletinnen des Landes. Sie studierte in Oxford, spricht mehrere Sprachen und gilt als analytisch denkende, hochdisziplinierte Athletin. Der internationale Durchbruch gelang ihr 2019 mit dem dritten Platz bei der Ironman 70.3-Weltmeisterschaft in Nizza, gefolgt vom Europameistertitel 2020. Mit ihrer charismatischen, aber fokussierten Art wurde sie schnell zum Gesicht einer neuen Generation von Profi-Triathletinnen – ehrgeizig, wissenschaftlich orientiert und kompromisslos im Training.
Umso härter traf sie der Schock, als am 8. Dezember 2024 bei einer Routinekontrolle vor der Ironman-WM in Neuseeland Spuren von Ligandrol, einem anabolen Steroid, gefunden wurden. Das Mittel steht auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und wird mit Muskelaufbau und erhöhter Knochendichte in Verbindung gebracht.
Der Dopingfund – und eine ungewöhnliche Erklärung
Simmonds bestritt von Anfang an die Einnahme und startete gemeinsam mit Anwälten und unabhängigen Laboren eine umfangreiche Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, dass ihr langjähriger Partner Ligandrol zur Körperformungverwendete. Haaranalysen zeigten, dass Simmonds selbst nie Ligandrol eingenommen hatte, während bei ihrem Partner der Stoff eindeutig nachgewiesen wurde.
Ihre Verteidigung führte schließlich zu einer medizinisch belegten Erklärung: Das anabole Mittel sei über Körperflüssigkeiten beim Geschlechtsverkehr übertragen worden. Die Dopingkommission der ITA prüfte diese Argumentation eingehend und kam zu dem Schluss, dass keine Fahrlässigkeit oder Täuschungsabsicht vorlag. Alle weiteren Tests vor und nach dem betroffenen Zeitraum waren negativ.
„Ich habe alles verloren – und neu gelernt“
Auf Instagram schrieb Simmonds nach der Entscheidung:
„Damals brach die Welt, die ich um meine Karriere aufgebaut hatte, zusammen. Ich verlor meine Identität, meinen Ruf und meine innere Ruhe. Jetzt weiß ich, was wahre Stärke bedeutet.“
Sie dankte ihrer Familie, ihrem Team und allen Fans, die trotz öffentlicher Kritik an sie glaubten. Ihr Freispruch wird in der Szene als „ein Präzedenzfall“ gesehen – nicht wegen der pikanten Ursache, sondern wegen der Konsequenzen für künftige Dopingverfahren.
Hintergrund: Ligandrol und die Debatte über biologische Übertragungen
Der Fall Imogen Simmonds hat eine neue Dimension in die internationale Dopingdiskussion gebracht. Zum ersten Mal wurde offiziell anerkannt, dass eine verbotene Substanz wie Ligandrol (LGD-4033) nicht durch Eigengebrauch, sondern durch biologische Übertragung beim Geschlechtsverkehr in den Körper einer Athletin gelangt sein kann. Das Mittel gehört zur Gruppe der selektiven Androgenrezeptor-Modulatoren (SARMs) – Substanzen, die ursprünglich zur Behandlung von Muskelschwund und Osteoporose entwickelt wurden, heute aber als leistungssteigernd gelten und weltweit auf der Dopingliste der WADA stehen.
Ligandrol wirkt, indem es gezielt an Muskel- und Knochenrezeptoren bindet und dort Wachstum und Regenerationstimuliert, ohne die Nebenwirkungen klassischer Steroide zu verursachen. Genau diese gezielte Wirkung macht es sowohl für medizinische Forschung interessant als auch für Sportler riskant. Schon Spuren im Nanogrammbereich können einen positiven Test auslösen – selbst wenn die Substanz über Schweiß, Speichel oder Körperkontakt übertragen wird.
Der Fall Simmonds führte zu einer intensiven Debatte in der Sportmedizin und im Sportrecht, weil er grundlegende Fragen aufwirft:
- Wo endet die Verantwortung der Athletin – und wo beginnt die Verantwortung der Kontrollbehörden?
- Wie kann man zwischen bewusster Einnahme und unabsichtlicher Kontamination unterscheiden?
- Müssen die Testverfahren künftig um „Toleranzzonen“ für minimale biologische Spuren erweitert werden?
- Wie lassen sich Umwelteinflüsse, Medikamente oder Partnerkontakte wissenschaftlich erfassen und bewerten?
Die Internationale Testagentur (ITA) bezeichnete den Fall als „ein Lehrbeispiel für die Grenzen wissenschaftlicher Beweisbarkeit im Dopingrecht“. Experten fordern nun „verfeinerte Protokolle“, die auch indirekte Übertragungswege und Umwelteinflüsse berücksichtigen sollen. Damit könnte der Freispruch von Imogen Simmonds zu einem Wendepunkt in der modernen Dopingkontrolle werden – hin zu mehr wissenschaftlicher Präzision und Fairness im Hochleistungssport.
Neustart einer Kämpferin
Für Simmonds endet damit eine der schwersten Phasen ihrer Karriere. Sie plant, im Frühjahr 2026 wieder an den Start zu gehen, zunächst bei Rennen in Europa, später auf Hawaii. „Ich will zurückkommen – stärker, ehrlicher und freier als zuvor“, sagte sie in einem Interview mit Schweizer Medien. Ihr Fall wird nicht nur als skurrile Episode in die Dopinggeschichte eingehen, sondern als Mahnung, dass nicht jedes positive Testergebnis gleichbedeutend mit Schuld ist.
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