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Soziale Medien prägen 2025 zunehmend, wie Menschen in der Schweiz Politik wahrnehmen und diskutieren. Die Plattformen TikTok und Instagram sind besonders unter jungen Nutzenden mächtig – sie dienen nicht mehr nur der Unterhaltung, sondern als politische Arenen. Laut aktuellen Studien und Umfragen nutzen viele Schweizerinnen und Schweizer diese Netzwerke, um sich über Wahlinhalte, Debatten und politische Akteur:innen zu informieren. In dieser Entwicklung liegt eine Herausforderung: Algorithmen, Aufmerksamkeit und Polarisierung beeinflussen Meinungsbildung oft unsichtbar. Infolgedessen geraten traditionelle Medien und klassische politische Kommunikation unter Druck. Die Redaktion nume.ch begleitet diese Transformation kritisch und beobachtet die Mechanismen, mit denen Social Media politische Wahrnehmungen lenken.

Verbreitung und Nutzung – wie stark sind TikTok & Instagram in der Schweiz

Die Schweiz zählt 2025 rund 8,7 Millionen Einwohner:innen; Schätzungen zufolge nutzen mehr als 70 % der Bevölkerung mindestens gelegentlich Social-Media-Plattformen. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen (15- bis 29-Jährige) liegt die Nutzung von TikTok und Instagram bei fast 90 %. Viele Nutzende verbringen täglich zwischen 30 und 60 Minuten auf diesen Plattformen, bei intensiven Nutzer:innen auch deutlich mehr. Im Rahmen des «Mobiliar Digitalbarometers 2025» gaben 39 % der Befragten an, soziale Medien als belastend, nur 31 % als förderlich einzuschätzen — dennoch werden Instagram und TikTok gezielt genutzt, gerade für News und politische Inhalte. (Daten basierend auf repräsentativen Umfragen in der Schweiz)
Diese starke Verbreitung ist die Basis für ihren Einfluss. Entscheidend ist, dass Nutzer:innen nicht nur konsumieren, sondern Inhalte aktiv teilen, liken, kommentieren und so politische Diskussionen mitgestalten.

Erzählstrategien und Algorithmuswirkung

Die Mechanismen hinter diesen Plattformen beeinflussen, welche Inhalte sichtbar werden. Algorithmen priorisieren Beiträge mit hoher Interaktion – insbesondere solche mit emotionaler Aufladung oder Konfliktpotenzial. So erhalten kontroverse, polarisierende Posts oft mehr Reichweite. Untersuchungen zu TikTok zeigen, dass negative Emotionen (z. B. Wut) und Inhalte über „den Anderen“ (Exklusionsnarrative) häufiger Engagement erzeugen. Dies begünstigt starke Meinungen gegenüber moderaten.
Zudem arbeiten Content Creator strategisch: Hashtags, Trends, Challenges und virale Formate werden genutzt, um politische Botschaften einzubinden. Politiker:innen und Parteien adaptieren diese Formate zunehmend, um junge Zielgruppen direkt anzusprechen. Doch nicht jede Kampagne gelingt – Authentizität bleibt zentral.

Politische Einflussnahme & Lobbying in der Schweiz

Neben organischem Einfluss durch Nutzer:innen setzen Plattformbetreiber und politische Akteur:innen gezielte Strategien ein. So sucht TikTok aktuell einen Lobbyisten für die Schweiz, um politischen und legislativen Einfluss auszuüben und regulatorische Risiken zu managen. Staatliche Initiativen fordern Abgaben für Plattformen, um Medienkompetenz oder Schutzmaßnahmen zu finanzieren. Darüber hinaus gibt es Vorstösse im Parlament, TikTok & Co. stärker zu regulieren und Transparenzpflichten aufzuerlegen.
Diese Entwicklungen verdeutlichen: Social Media ist kein neutraler Raum – er ist zunehmend Gegenstand politischer Gestaltung und Kontrolle.

Mechanismen der Meinungsbildung – von Mikrointeraktionen zu Makrowirksamkeit

Politische Meinungsbildung über TikTok oder Instagram läuft oft in kleinen Schritten ab: Ein kurz geschnittenes Video oder Story aktiviert Emotionen, führt zu Likes und Kommentaren, wird algorithmisch verstärkt und erreicht viele weitere Nutzer:innen. Inhalte mit zentralen Appellen oder simplen Narrativen sind besonders geeignet, komplexe Themen zugänglich zu machen – allerdings mit der Gefahr, Nuancen zu verlieren.
Influencerinnen und Influencer übernehmen Vermittlerrollen: Sie übersetzen politische Themen in Alltagssprache, geben Empfehlung oder Wertung, teilen Meinung. Manche vertreten explizit politisches Engagement, andere bleiben subtiler und setzen etwa auf Moralbotschaften. Das Gewicht ihrer Aussagen hängt von Glaubwürdigkeit, Communitybindung und Formatwahl ab.

Risiken: Filterblasen, Polarisierung, Desinformation

Ein zentrales Risiko ist die Entstehung von Filterblasen: Nutzer:innen sehen zunehmend Inhalte, die zu ihren bisherigen Ansichten passen. Abweichende Positionen werden seltener eingeblendet. Dadurch kann eine verzerrte Wahrnehmung entstehen. Zudem begünstigen algorithmische Strukturen Politisierung über Emotion, nicht über rationale Argumente – das öffnet Raum für Desinformation, Verschwörungsideologien oder Radikalisierung.
In der Schweiz warnen Expert:innen davor, dass solche Dynamiken den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das demokratische Gespräch gefährden könnten. Viele Nutzer:innen äußerten Besorgnis über Manipulation und den Einfluss von sozialen Medien auf politische Prozesse.

Gegenstrategien & Empfehlungen für Handlungsfähigkeit

Staat, Schulen, Medien und Nutzer:innen selbst können Maßnahmen ergreifen:

  • Förderung von Medienkompetenz in allen Altersgruppen – besonders digitaler Schnittstellen
  • Transparenzpflichten und Regulierung von Algorithmen
  • Öffentliche Plattformangebote (z. B. demokratisch fundierte Kanäle)
  • Aktive partizipative Kommunikationsangebote von Parteien über Social Media
  • Kritische Reflexion eigener Nutzung, bewusstes Brechen von Filterblasen

Vergleich Schweiz vs. Deutschland / andere Länder

Im Vergleich zu Deutschland oder Österreich ist die Schweiz ein kompakterer Markt mit höherem Vertrauensniveau in Institutionen. Dennoch lassen sich Parallelen beobachten: Auch in Deutschland zeigt Forschungsarbeit, dass polarisiertes Messaging auf TikTok besonders effizient ist – vor allem in Wahlkampfphasen.
Während in Deutschland bereits mehrere Studien zeigen, dass extreme Inhalte mehr Engagement generieren (z. B. Forschungsarbeiten zu TikTok-Politikvideos), sind solche Effekte auch in Schweizer Kontexten nicht ausgeschlossen. Die Ambivalenz bleibt: Social Media kann demokratische Teilhabe erweitern, zugleich aber die Qualitätsdebatte schwächen.

Beispiele aus der Praxis

  • Ein junger Influencer in Zürich veröffentlichte ein kurzes TikTok-Video zur Klimapolitik, welches innerhalb weniger Stunden zehntausende Views erreichte und eine lokale Petition mit anstieß.
  • Eine politische Partei intensiverte ihre Präsenz via Instagram Stories mit interaktiven Umfragen und kurzen Q&A-Videos – dies führte zu deutlichem Anstieg der Mitgliederanfragen.
  • Ein kommunaler Politiker nutzte Reels, um sich persönlich und nahbar zu zeigen (Familie, Hobbys, Fragen der Follower) und generierte so Vertrauen in seiner Community.

Tabelle: Engagement-Formate & politische Wirkung

Die folgende Übersicht zeigt typische Content-Formate, ihre Potenziale und Gefahren im politischen Kontext:

FormatPotenzialGefahren / Limitationen
Kurzvideo (15–60 Sek.)Emotional starke Botschaften, virale ReichweiteReduktion komplexer Inhalte, Polarisierung
Story / UmfragenInteraktive Einbindung, direkte RückmeldungBestätigungsvoreingenommenheit
Hashtag-ChallengeMassive Beteiligung, viraler HebelMissbrauch, Verfälschung der Botschaft
Reels mit ExpertenVermittlung von Sachwissen in kompakter FormGlaubwürdigkeitsprämissen, Übersimplifizierung
Live-Streams / Q&ADirekte Verbindung, TransparenzTrollangriffe, technische Hürden

Zusammenhängende Dynamiken und Ausblick

Das Zusammenspiel von Algorithmus, Aufmerksamkeit und politischen Akteur:innen wird 2025 weiter zentral sein. Plattformen belohnen Inhalte, die Engagement provozieren – häufig emotional, konfliktgeladen, polarisierend. Wer in diesem Umfeld standhält, muss inhaltlich präzise, glaubwürdig und agil sein.
Besonders relevant wird die Regulierung: Mit zunehmendem politischen Druck sehen wir erste Ansätze, Plattformen stärker zu kontrollieren, etwa durch Lobbyismus (z. B. bei TikTok in der Schweiz) oder Abgaben für digitale Werbung. Gleichzeitig wächst der Bedarf an digitaler Bildung, an demokratischen Ersatzräumen und an medienethisch reflektierter Nutzung.
In dieser Entwicklung liegt eine doppelte Aufgabe: Politik und Gesellschaft müssen Wege finden, wie demokratische Diskurse in digitalen Räumen lebendig bleiben, ohne dass diese Räume zur instrumentellen Bühne werden. Nutzer:innen haben die Verantwortung, kritisch zu bleiben und ihre eigenen digitalen Filter zu hinterfragen.

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