Die Deutsche Bahn steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Züge fallen aus, weil Lokführer fehlen, sie bleiben unterwegs liegen, wenn das Personal die zulässige Arbeitszeit überschritten hat, oder sie erreichen ihr Ziel nicht, weil verspätete Verbindungen die Gleise blockieren. Hinzu kommen Signal- und Weichenstörungen, marode Stellwerke, Personalausfälle und überfüllte Züge, da gestrichene Fahrten tausende Reisende auf weniger verfügbare Verbindungen zwingen. Eine Bahnfahrt in Deutschland gleicht inzwischen einer Lotterie. Darüber berichtet nume.ch unter Berufung auf derbund.ch.
Die Bilanz ist dramatisch: Die Pünktlichkeitswerte im Fernverkehr sanken auf ein historisches Tief von 62,5 Prozent – der schlechteste Wert seit mehr als zwei Jahrzehnten. Experten machen einen grundlegenden Strukturfehler verantwortlich. Über Jahre hinweg wurde die Infrastruktur nicht ausreichend modernisiert, gleichzeitig forcierte die Politik Einsparungen und setzte auf ein renditeorientiertes Geschäftsmodell. Das Ergebnis ist ein massiver Sanierungsstau mit inzwischen mehr als 800 Großbaustellen im Netz.
Die Bundesregierung und der Vorstand der Deutschen Bahn haben nun einen milliardenschweren Rettungsplan vorgestellt. Kern des Programms sind Rekordinvestitionen in Höhe von über 20 Milliarden Euro allein für das Jahr 2025, die in die Sanierung hoch belasteter Korridore fließen sollen. Bereits jetzt laufen umfangreiche Arbeiten auf der Strecke Frankfurt–Mannheim, im kommenden Jahr folgen weitere zentrale Verbindungen wie Hamburg–Berlin und Abschnitte in Nordrhein-Westfalen. Ziel ist es, durch gebündelte Vollsperrungen und systematische Sanierung die Qualität des Netzes langfristig zu erhöhen.
Parallel dazu sieht das Konzept den Abbau von bis zu 10.000 Stellen in der Verwaltung bis 2027 vor, um die Effizienz zu steigern. Gleichzeitig sollen neue Lokführer ausgebildet und mehr technisches Personal eingestellt werden, um Ausfälle bei Zügen und Signaltechnik zu vermeiden. Die Bahn soll so fokussierter, schlanker und verlässlicher arbeiten – ein Schritt hin zu einer klaren Neuordnung.
Besondere Beachtung findet das Vorbild Schweiz. Peter Füglistaler, ehemaliger Chef der Schweizerischen Bundesbahnen und heutiger Direktor des Bundesamts für Verkehr, betont, dass die Deutsche Bahn nur durch eine konsequente Fokussierung auf das Kerngeschäft, eine klare Trennung von Infrastruktur und Betrieb sowie nachhaltige Investitionen aus der Krise herausfinden könne. «Die Bahn muss schweizerischer werden», lautet seine Mahnung – präziser, pünktlicher und kundenorientierter.
Für die Fahrgäste bedeutet der Umbau zunächst weitere Belastungen. Viele Streckenabschnitte müssen über Monate voll gesperrt werden, Umleitungen und Ersatzverkehre sind die Folge. Doch die Verantwortlichen im Konzern und im Bundesverkehrsministerium verweisen darauf, dass es ohne diese tiefgreifenden Eingriffe keine Zukunft für die Bahn geben wird. Die Sanierung sei nicht nur ein Infrastrukturprojekt, sondern eine nationale Aufgabe, um die Bahn als Rückgrat der klimafreundlichen Mobilität zu sichern.
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