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Der Schweizer Ständerat hat am Dienstag eine Resolution verabschiedet, die darauf abzielt, anonyme Leserkommentare auf Online-Portalen zu verbieten, die staatliche Mittel direkt oder indirekt erhalten, berichtet Nume mit Verweis auf Derbund. Die Regelung betrifft vor allem Online-Auftritte traditioneller Printmedien. Experten warnen jedoch, dass Hasskommentare dadurch nicht automatisch reduziert würden und betonen die Bedeutung einer professionellen Moderation der Kommentarbereiche.

Mauro Podja und die Begründung der Initiative

Mauro Podja (MCG), Mitglied des Nationalrats aus Genf, erklärte, dass persönliche Erfahrungen mit Hasskommentaren maßgeblich zum Erfolg der Initiative beigetragen hätten. Die Resolution verlangt, dass Medien, die staatliche Unterstützung erhalten, sicherstellen, dass alle Kommentatoren für die Öffentlichkeit eindeutig identifizierbar sind. „Es ist einfacher, andere zu beleidigen, wenn man sich hinter einem Pseudonym verstecken kann“, so Podja. Besonders aggressive Kommentare stammten oft von Nutzern, die sich als „Napoleon“, „Kopernikus“ oder „Batman“ ausgeben.

Mauro Poggia, Genfer Ständerat \\\ Foto: LMD

Kontroverse um Wirksamkeit der Klarnamenpflicht

Sophie Achermann, Geschäftsführerin des Public Discourse Fund, kritisiert die Maßnahme. Studien von 2013 zeigen kaum Unterschiede zwischen anonymen und nicht-anonymen Kommentaren. Bis zu 30 Prozent der Kommentare seien abhängig von der Nachrichtenlage toxisch, also beleidigend oder bedrohlich. Ihre Organisation analysiert wöchentlich zwischen 70.000 und 130.000 Kommentare auf Blick.ch und 20minuten.ch; Ende November waren rund 21 Prozent der Beiträge feindselig, wobei die meisten Kommentare vor Veröffentlichung entfernt werden.

Führende Schweizer Medien verfügen bereits über klare Regeln für Kommentare und löschen unangemessene Inhalte. Offiziell anonym kommentieren darf derzeit nur „20 Minuten“, das täglich bis zu 10.000 Beiträge erhält. Die Plattform will anonyme Kommentare weiterhin zulassen, da diese die Diskussion persönlicher machen. Portale wie Blick.ch und CH Media nutzen bereits Klarnamen, eine systematische Identitätsprüfung erfolgt jedoch nur bei Verdacht auf Falschangaben.

Für die Registrierung auf den meisten Plattformen reicht eine E-Mail-Adresse sowie Vor- und Nachname. Die Einführung elektronischer Identitätsnachweise könnte dies künftig ändern, wirft aber Fragen zum Datenschutz auf. Nach schweizerischem Recht sind Klagen gegen anonyme Hasskommentare in der Regel kaum möglich, da Online-Kommentare journalistischem Quellenschutz unterliegen, wie das Bundesgericht 2010 entschieden hat. Anwalt Martin Steiger vom Digital Society betont, dass die Initiative von Podja „nicht vollständig durchdacht“ sei.

Stellungnahmen der Medienverbände

Die Schweizer Medienverlegerverbände begrüßen die Initiative grundsätzlich, sehen jedoch den Ansatz kritisch. Die meisten Hasskommentare entstünden auf sozialen Netzwerken und internationalen Plattformen, wo strengere Moderationsregeln erforderlich seien. Sophie Achermann betont, dass die Moderation derzeit der effektivste Weg sei, respektvolle Diskussionen zu gewährleisten. Simon Bertsky, Chefredakteur bei Tamedia, ergänzt: „Unser Ziel ist es, öffentliche Debatten auf unseren Plattformen zu ermöglichen und gleichzeitig höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu garantieren.“

Die Initiative von Mauro Podja wird nun dem Nationalrat zur weiteren Beratung übergeben. Eine im Oktober veröffentlichte Studie zeigt, dass 98 Prozent der Schweizer Parlamentarier bereits Hass im Netz erfahren haben, weshalb die Klarnamenpflicht voraussichtlich breite Unterstützung im Nationalrat finden wird.

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