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Die Schweiz und die USA haben sich auf einen neuen Zollrahmen geeinigt, der die bisherigen Einfuhrabgaben von bis zu 39 Prozent auf einen einheitlichen Satz von 15 Prozent senkt und gleichzeitig umfangreiche wirtschaftliche Zusagen festschreibt, die für die Schweizer Exportindustrie weitreichende Folgen haben. Der Schritt beendet vorerst die monatelange Phase der Unsicherheit, in der zentrale Industriezweige unter hohen Abgaben litten und ihre Marktposition im wichtigsten Nicht-EU-Absatzmarkt zu verlieren drohten. Darüber berichtet nume.ch unter Berufung auf Reuters.

Der neue Zollsatz betrifft zahlreiche Sektoren, die in der schweizerischen Exportlandschaft eine Schlüsselrolle spielen: Maschinen, Präzisionswerkzeuge, Messtechnik, pharmazeutische Vorprodukte, Chemikalien, Uhren sowie Teile der High-Tech-Industrie. Viele dieser Branchen verzeichneten seit Sommer eine spürbare Verlangsamung des US-Geschäfts, weil die hohen Abgaben Preise verteuerten, Lieferketten verzögerten und Investitionsentscheidungen blockierten. Die Rückmeldungen aus der Industrie lassen erkennen, dass die Zollsenkung unmittelbar Wirkung zeigen dürfte: Unternehmen rechnen mit einer Stabilisierung der Nachfrage, einer Verbesserung der Margen und einer deutlichen Entspannung im Logistikmanagement.

Politisch jedoch hat der Weg zu dieser Einigung tiefe Spuren hinterlassen. Die Schweiz wurde über Monate als einzelnes Ziel eines US-Zollregimes exponiert, das in seiner Härte und Unvorhersehbarkeit selbst in Washington umstritten war. Mehrere diplomatische Anläufe brachten zunächst keine Ergebnisse; kritische Stimmen im Inland warfen dem Bundesrat mangelnde Durchschlagskraft vor, weil weder Gespräche auf Ministerebene noch der direkte Austausch auf höchster politischer Ebene Fortschritte brachten. Eine unglücklich bewertete Kommunikation der Landesregierung sowie eine erfolglose Delegationsreise nach Washington verschärften diese Wahrnehmung und warfen Fragen nach der aussenpolitischen Handlungsfähigkeit der Schweiz auf.

Erst die spätere Verhandlungsphase, in der wirtschaftliche Interessenvertreter und das zuständige Departement enger zusammenspielten, brachte die entscheidende Bewegung. Die USA signalisierten Bereitschaft zur Entlastung, verlangten jedoch im Gegenzug klare wirtschaftliche Verpflichtungen: eine deutliche Stärkung der Schweizer Industriebeteiligungen in den USA, eine langfristige Präsenz technischer Produktion und ein Marktzugang, der sich stärker an amerikanischen Interessen orientiert. Diese Erwartungen spiegeln sich im neuen Rahmen deutlich wider.

Trotz der Erleichterung handelt es sich nicht um einen endgültigen Vertrag. Der Deal ist ein provisorisches Rahmenabkommen, das noch durch technische Implementierung, juristische Klärungen und politische Verfahren gehen muss. Die USA behalten sich zudem die Möglichkeit vor, sektorielle Tarifanpassungen vorzunehmen, insbesondere wenn sich geopolitische oder wirtschaftspolitische Prioritäten ändern. In der Praxis bedeutet dies für die Schweiz: Die Gefahr ist reduziert, aber nicht beseitigt.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Zollsenkung ein klarer Gewinn, jedoch begleitet von einem strukturellen Preis. Die Schweiz verpflichtet sich zu einer stärkeren Bindung an den US-Markt, was den Handlungsspielraum im globalen Handel verringern kann. Gleichzeitig wird sichtbar, wie rasch ein kleines, hochspezialisiertes Land in eine asymmetrische Abhängigkeit geraten kann, wenn internationale Rahmenbedingungen kippen. Die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz wird sich deshalb breiter abstützen müssen: durch eine schnellere Normalisierung des Verhältnisses zur EU, durch breitere Partnerschaften im asiatischen Raum und durch eine Stärkung der multilateralen Handelsmechanismen, die den politischen Druck einzelner Machtzentren reduzieren.

Für die Exportwirtschaft insgesamt markiert der Zolldeal einen wichtigen Wendepunkt. Die unmittelbare finanzielle Belastung sinkt, die operative Planbarkeit steigt, und strategische Entscheidungen können wieder auf einer stabileren Grundlage getroffen werden. Doch bis das Abkommen definitiv ist, bleibt die Schweiz in einem Zwischenzustand: wirtschaftlich erleichtert, politisch jedoch wachsam – und mit der Erkenntnis konfrontiert, dass Handelsbeziehungen in Zeiten multipolarer Machtverschiebungen brüchiger und konfliktsensibler geworden sind als je zuvor.

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