Wimbledon – Heute jährt sich einer der bedeutendsten Momente der Tennisgeschichte zum 50. Mal. Arthur Ashe betrat den Centre Court, besiegte den Titelverteidiger Jimmy Connors und wurde zum ersten schwarzen Spieler, der das Herrenfinale des traditionsreichsten Tennisturniers der Welt gewann. Mit ruhiger Präsenz, taktischer Intelligenz und historischer Haltung schrieb er weit mehr als nur Sportgeschichte. Darüber berichtet NUME.ch mit Verweis auf Berichte von CNN und BBC.
Was wie ein sportliches Ereignis erschien, war in Wahrheit ein politischer Meilenstein. Ashe, selbstbewusst, ruhig und hoch reflektiert, nahm den historischen Triumph mit Zurückhaltung. „Ich möchte nicht für meinen Wimbledon-Sieg in Erinnerung bleiben. Das war nicht das Wichtigste in meinem Leben – nicht einmal annähernd“, sagte er 1992 im Interview mit der BBC – wenige Monate vor seinem Tod.
Geboren 1943 im segregierten Richmond, Virginia, wuchs Arthur Ashe in einem Land auf, in dem schwarze Kinder nicht dieselben Sportanlagen nutzen durften wie weiße. Bereits als Teenager wurde er bei Turnieren aufgrund seiner Hautfarbe ausgeschlossen. Er spielte auf abgesperrten Plätzen, wurde ignoriert – und lernte, mit Haltung zu antworten. Als erster Afroamerikaner im Davis-Cup-Team der USA schrieb er schon 1963 Geschichte. 1968 gewann er die US Open, 1970 die Australian Open – und 1975 Wimbledon. Doch all diese Erfolge waren für ihn Mittel zum Zweck: die Bühne zu nutzen, um auf strukturelle Ungleichheit hinzuweisen.

Foto: Ashe schüttelt Jimmy Connors nach dem Wimbledon-Finale 1975 die Hand. Mirrorpix/Getty Images
Südafrika und die Apartheid: Konfrontation durch Sichtbarkeit
In den frühen 1970er-Jahren wurde ihm vom Apartheidregime Südafrikas mehrfach das Visum verweigert – aus „politischen Gründen“ und wegen „allgemeiner Gegnerschaft zum System“, wie es offiziell hieß. Erst 1973 erlaubte Pretoria dem weltbekannten Sportler die Teilnahme am South African Open – unter der Bedingung, dass das Publikum gemischt sein müsse. Ashe, überzeugt davon, dass Begegnung wichtiger sei als Boykott, reiste – trotz heftiger Kritik von Aktivisten aus den USA und Südafrika.
„Ich kann nicht über ein Land urteilen, das ich nie betreten habe“, sagte Ashe. Der Besuch war intensiv. In Soweto gab er Kindern Tennistraining. Viele sahen in ihm Hoffnung. Der spätere Schriftsteller Mark Mathabane beschrieb den Moment so: „Er war der erste freie schwarze Mann, den ich je gesehen habe.“
Die südafrikanische Presse nannte ihn einen „Uncle Tom“, Demonstranten forderten, dass er abreise. Doch Ashe blieb. Er wollte die Wahrheit sehen – nicht in Hotelhallen, sondern in Townships. Später änderte er seine Haltung: Nach weiteren Reisen sprach er sich für den vollständigen Sportboykott Südafrikas aus, trat bei Protesten auf, gründete mit Harry Belafonte die Bewegung „Artists and Athletes Against Apartheid“ und sprach vor der UNO und dem US-Kongress.
Ein Aktivist mit Maß und Haltung
Nach seiner Karriere wandte sich Ashe sozialen und gesundheitspolitischen Themen zu. Nach einer Herzoperation in den 1980er-Jahren erfuhr er, dass er durch eine Bluttransfusion mit HIV infiziert worden war. 1992 machte er seine Erkrankung öffentlich – in einer Zeit, in der AIDS noch ein gesellschaftliches Tabu war. Er gründete die Arthur Ashe Foundation for the Defeat of AIDS, sprach am Welt-AIDS-Tag vor der WHO und reiste durch die USA, um aufzuklären.
Ashe starb 1993 im Alter von nur 49 Jahren – an einer AIDS-bedingten Lungenentzündung. In seinem Testament hinterließ er das klare Vermächtnis, mehr als ein Sportler gewesen zu sein: ein Denker, Vermittler, Aktivist.
Würdigung in Wimbledon und darüber hinaus
Zum 50. Jahrestag seines Wimbledon-Siegs widmet ihm das Turnier 2025 eine umfangreiche Ausstellung im Wimbledon Lawn Tennis Museum. In der Warteschlange vor dem Gelände wurde eine rote Londoner Telefonzelle installiert, in der Originaltonaufnahmen seines Finales abgespielt werden. Seine Familie wurde in die Royal Box eingeladen, Workshops für junge Athletinnen und Athleten wurden ins Leben gerufen.
Der heutige Weltranglisten-Zwölfte Frances Tiafoe, Sohn afrikanischer Einwanderer, nennt ihn ein Vorbild: „Er hat nicht nur gesprochen – er hat gehandelt. Seine Geschichte ist auch meine.“ 2020 schrieb Tiafoe einen offenen Brief an Ashe: „Dieser kleine Junge mit großen Träumen trägt jetzt deinen Namen weiter. Das ist verrückt.“
Das von Ashe gegründete Tenniszentrum in Soweto wurde 2007 restauriert und dient heute als Ausbildungsstätte für junge Südafrikaner. Serena und Venus Williams engagieren sich dort regelmäßig.
Zahlen & Wirkung:
- 1. schwarzer Wimbledon-Champion der Herren
- 3 Grand-Slam-Titel (US Open 1968, Australian Open 1970, Wimbledon 1975)
- Gründung des Arthur Ashe Institute for Urban Health und Foundation for the Defeat of AIDS
- Statue vor dem Arthur-Ashe-Stadium in New York, dem größten Tennisstadion der Welt
- Demonstrant gegen US-Politik in Haiti und Unterstützer von Nelson Mandela
Ashe wurde verhaftet, verspottet, bewundert – und bleibt bis heute ein Symbol für sportliche Exzellenz mit moralischer Verantwortung. Seine Stärke lag nicht nur in seinem Spiel, sondern in seinem Schweigen, wenn andere schrien – und in seiner Stimme, wenn andere schwiegen.

Foto: Gerry Cranham / Offside
Abschließend bleibt die Botschaft, die Frances Tiafoe selbst nach seinem Viertelfinaleinzug bei den US Open 2022 formulierte – inspiriert vom Vermächtnis Arthur Ashes – zeitlos gültig
„Believe in yourself, it's so big. You have to believe in yourself before anybody else does.“
„Glaube an dich selbst – das ist etwas Großes. Du musst an dich glauben, noch bevor es jemand anderes tut.“ — Frances Tiafoe, US Open Pressekonferenz, 2022Bleiben Sie informiert – Relevantes. Jeden Tag. Lesen Sie, worum es heute wirklich geht: Wimbledon 2025: Spielplan, Schweizer Stars, Preisgeld und wo man live schauen kann
Hauptbild von Mirrorpix/Getty Images