Zürich 2025: Migranten Mandy Abou Shoak verliert SP-Nomination. Anteil von Migranten in Schweizer Politik nur 16 %. Studie nennt strukturelle Barrieren. Ob darüber berichtet NUME.ch unter Berufung auf watson.ch.
In der Stadt Zürich hat die Sozialdemokratische Partei (SP) ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Stadtratswahl am 8. März 2026 nominiert. Zwei bisherige Mitglieder des Stadtrats, Stadtpräsidentin Corine Mauch und Hochbauvorstand André Odermatt, treten nicht mehr an. Zu den Bewerberinnen zählte Mandy Abou Shoak, eine 36-jährige Schweizerin sudanesischer Herkunft und praktizierende Muslimin. Sie kandidierte sowohl für das Stadtpräsidium als auch für den Stadtrat und trat damit direkt gegen den amtierenden Sozialvorsteher Raphael Golta an. Nach einer intensiven und kontroversen Debatte entschieden sich die Delegierten der SP gegen sie und nominierten Raphael Golta als Präsidentschaftskandidaten sowie Céline Widmer und Tobias Langenegger für den Stadtrat.
Die Entscheidung sorgte für mediale und politische Diskussionen. Beobachter warfen der SP Zürich vor, eine Chance für ein sichtbares Zeichen zugunsten echter Diversität vergeben zu haben. Mandy Abou Shoak habe in ihrer politischen Laufbahn noch keine größeren Spuren hinterlassen, hieß es parteiintern. Zudem sei ihr Auftreten in der Nominationsphase zu ambitioniert gewesen. Unterstützer innerhalb der Partei hatten zuvor intensiv für ihre Kandidatur geworben. Diese Mobilisierung wurde von einigen als zu aufdringlich empfunden.
Ein offener Brief mit dem Titel „Es isch gnueg!“, unterzeichnet von zwanzig Persönlichkeiten, darunter der Regisseur Samir, die Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji und der Autor Pedro Lenz, kritisierte insbesondere die linken Parteien der Schweiz. Sie warfen ihnen vor, Menschen mit Migrationshintergrund zwar zur Diversifizierung der Wahllisten einzusetzen, ihnen aber keinen echten Zugang zu Entscheidungsfunktionen zu gewähren. Die politische Repräsentation bleibe oberflächlich.
Andere Parteien reagierten strategisch. Die FDP nominierte ihren albanischstämmigen Parteipräsidenten Përparim Avdili für das Stadtpräsidium sowie Marita Verbali, Tochter italienisch-argentinischer Eltern, für den Stadtrat. Die Grünliberalen (GLP) stellten Serap Kahriman auf, eine Gemeinderätin türkischer Abstammung. Während diese Nominierungen als PR-Erfolge gewertet wurden, bleiben die Wahlchancen im linken Zürich dennoch begrenzt. Die SP gilt dort seit Jahrzehnten als dominierende politische Kraft.
Trotz der aktuellen Kritik zeigt eine Betrachtung der nationalen Situation, dass die SP in der Deutschschweiz zu den Parteien mit dem höchsten Anteil migrantischer Politiker gehört. Bekannte Beispiele sind Ylfete Fanaj, Regierungsrätin in Luzern mit Wurzeln im Kosovo, der Basler Regierungsrat Mustafa Atici mit türkischem Hintergrund und der Zürcher Nationalrat Islam Alijaj. Dennoch bleibt ihr Anteil im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gering.
Eine im Frühjahr 2025 veröffentlichte Studie der Universität Neuchâtel in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator Schweiz stellt fest, dass nur rund 16 % der politisch aktiven Personen in der Schweiz einen Migrationshintergrund haben, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung fast 40 % beträgt. Hauptgründe sind komplexe Einbürgerungsverfahren, das Milizsystem, das hohe zeitliche Anforderungen stellt, sowie familiäre Verpflichtungen. Besonders Personen, die erst später in die Schweiz gekommen sind, fokussieren sich häufig zunächst auf ihre berufliche Etablierung.
Die Studie betont, dass je sichtbarer der Migrationshintergrund sei – etwa durch Namen, Hautfarbe, Akzent oder religiöse Merkmale – desto größer seien die Hürden im politischen Alltag. Viele Betroffene berichteten von unterschwelligen Vorurteilen, kritischen Rückfragen zur „Loyalität“ oder unklarer Legitimität. Auch Mustafa Atici berichtete, dass ihm im Wahlkampf in Basel vorgeworfen wurde, kein Baseldytsch zu sprechen. Die Anspielungen auf Herkunft, Sprache und kulturelle Prägung seien ihm zufolge wiederholt und gezielt eingesetzt worden.
Ein Beispiel aus Deutschland zeigt, dass politische Teilhabe für Menschen mit Fluchterfahrung möglich sein kann: Ryyan Alshebl, 2015 aus Syrien geflüchtet, wurde 2023 zum Bürgermeister der Gemeinde Ostelsheim in Baden-Württemberg gewählt. Die Studie „repchance.ch“ verweist auf solche Einzelfälle als positive Signale, warnt jedoch davor, sie als Regelfall zu interpretieren. In der Schweiz bleiben solche Aufstiege bislang selten.
Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass die bloße symbolische Einbindung von Menschen mit Migrationsgeschichte nicht genügt. Ohne gezielte Förderung, interne Parteistrukturveränderungen und nachhaltige Beteiligungskonzepte drohe die politische Repräsentation weiterhin marginal zu bleiben. Parteistrategien, die sich auf Imagekampagnen beschränken, führen laut Studie nicht zu echter Integration. Die Legitimität migrantischer Kandidaten werde regelmäßig infrage gestellt, und ihre politische Wirksamkeit bleibe dadurch begrenzt.
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bild: keystone