Der italienische Traditionsverein Brescia Calcio, gegründet im Jahr 1911, steht unmittelbar vor dem Verschwinden aus der Fußballlandschaft. Nach mehr als einem Jahrhundert im professionellen italienischen Fußball hat der Klub nun offiziell den Status als Profiverein verloren – wegen unbezahlter Schulden in Höhe von drei Millionen Euro. Die italienischen Fußballbehörden haben Brescia daraufhin aus allen professionellen Ligen ausgeschlossen.
Diese dramatische Entwicklung markiert den vorläufigen Tiefpunkt eines schleichenden Niedergangs, der sich über mehrere Jahre angebahnt hatte. Laut NUME.ch, das sich auf Berichte der US-amerikanischen Wirtschaftszeitung Barron's stützt, ist es dem Klub nicht gelungen, offene Gehaltsforderungen und andere finanzielle Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen.
Von der Serie B zur Insolvenz: Wie es dazu kam
In der Saison 2023/2024 spielte Brescia noch in der Serie B, der zweithöchsten Spielklasse des italienischen Fußballs. Sportlich stand der Verein bereits am Abgrund: Nur mit Mühe konnte der Abstieg vermieden werden. Doch noch während der laufenden Saison wurde der Klub von der Liga mit vier Punkten Abzug bestraft – aufgrund von Verstößen gegen Lizenzauflagen und Zahlungsversäumnisse.
Diese Strafmaßnahme bedeutete das formale Abrutschen in die Serie C. Als wäre das nicht genug, wurde öffentlich bekannt, dass Brescia zwei Monate lang die Spielergehälter nicht bezahlt hatte – ein schwerer Verstoß gegen die Vorschriften des italienischen Verbandes (FIGC).
Die italienischen Medien berichteten, dass der Verein bis Freitag, 7. Juni 2025, Zeit hatte, die offenen Schulden zu begleichen. Doch diese Frist verstrich ohne Zahlung – mit der Folge, dass Brescia Calcio ab sofort nicht mehr als Profiverein anerkannt wird.
Cellino: Der Eigentümer mit umstrittenem Ruf
Der aktuelle Klubbesitzer, Massimo Cellino, steht seit Jahren in der Kritik. Er übernahm Brescia im Jahr 2017, nachdem er bereits in England als Eigentümer von Leeds United für Schlagzeilen sorgte. In Leeds erlebte der Klub unter seiner Leitung eine Phase des Chaos: häufige Trainerwechsel, offene Rechnungen, Verfahren vor Arbeits- und Sportgerichten.
In Brescia wiederholte sich dieses Muster: sportliche Instabilität, interne Machtkämpfe und mangelnde wirtschaftliche Weitsicht. Cellino, der öffentlich als impulsiv und unberechenbar beschrieben wird, konnte keinen nachhaltigen Sanierungsplan etablieren.
Am 9. Juni 2025 wurde bekannt, dass Cellino bereits ein Insolvenzverfahren beim zuständigen Handelsgericht eingeleitet hat. Sollte sich in den nächsten Wochen kein finanzstarker Investor finden, droht dem Klub die vollständige Auflösung.
Brescia als Talentschmiede: Ein Verein mit legendärer Vergangenheit
Trotz der aktuellen Krise gehört Brescia zu den traditionsreichsten und kulturträchtigsten Vereinen Italiens. In seiner langen Geschichte diente der Klub mehrfach als Sprungbrett für spätere Weltstars:
- Roberto Baggio, der ab 2000 seine Karriere hier ausklingen ließ, gilt als größter Name, der je für Brescia spielte. Er verlieh dem Klub in seinen letzten Jahren weltweite Aufmerksamkeit.
- Andrea Pirlo begann in Brescia seine Profikarriere – lange bevor er bei Milan und Juventus zu einer Ikone des italienischen Fußballs wurde.
- Pep Guardiola, heutiger Erfolgstrainer von Manchester City, spielte 2001/2002 eine Saison für Brescia und nutzte die Zeit, um das italienische Spielsystem und seine taktische Tiefe zu studieren.
- Luca Toni, später Torschützenkönig in der Serie A und deutscher Bundesliga, und Mario Balotelli, einer der umstrittensten Stürmer Italiens, liefen ebenfalls für die „Rondinelle“ auf.
Auch international bekannte Namen wie Gheorghe Hagi (Rumänien), Kubilay Türkyilmaz (Schweiz), Panagiotis Kone(Griechenland) und Francelino Matuzalem, ein Ex-Spieler von Schachtar Donezk, trugen das Brescia-Trikot.
Die Ära Lucescu: Erfolg durch Disziplin und Weitsicht
Besonders prägend war die Zeit von Mircea Lucescu, dem legendären rumänischen Trainer, der von 1991 bis 1996 das Team leitete. Lucescu führte den Klub in seiner ersten Saison direkt in die Serie A – ein sportlicher Meilenstein.
Sein größter Erfolg: 1994 gewann Brescia unter seiner Leitung den Anglo-Italian Cup – den einzigen Titel der Vereinsgeschichte. Dieses Turnier, das zwischen englischen und italienischen Zweitligisten ausgetragen wurde, galt als sportlich anspruchsvoll und prestigeträchtig.
Lucescu etablierte in Brescia ein Spielsystem, das technische Disziplin, taktische Organisation und individuelle Kreativität vereinte – ein Stil, der Brescia über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte.
Zwischen Hoffnung und Ende
Heute steht dieser traditionsreiche Klub am Rande der Auflösung. Der sportliche Abstieg in die Serie D, die höchste Amateurliga, ist bereits formal beschlossen. Doch ohne neue Finanzmittel könnte Brescia Calcio vollständig von der Fußballkarte verschwinden – ein bitteres Ende für einen Verein, der Fußballgeschichte geschrieben hat.
Für Fans, Spieler und die Stadt Brescia wäre das nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein kultureller Verlust. Denn Brescia war immer mehr als nur ein Verein – es war ein Symbol für Entschlossenheit, Talentförderung und das Überleben in einem harten Fußballsystem.
Bleiben Sie informiert – Relevantes. Jeden Tag. Lesen Sie, worum es heute wirklich geht: Aryna Sabalenka: Tränen, Trotz und Tequila – die Nummer 1 zerbricht nach Paris-Final
Bild von GettyImages