Gentrifizierung beschreibt einen tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Wandel in Stadtquartieren, bei dem ehemals günstige, oft vernachlässigte Wohnviertel durch bauliche Aufwertungen, Sanierungen und den Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerungsschichten grundlegend verändert werden. Die direkte Folge sind steigende Mieten, der Verlust preiswerter Wohnungen und die Verdrängung langjähriger Bewohner – oft Menschen mit tieferem Einkommen oder familiären Bindungen zum Quartier. Gleichzeitig verändert sich das soziale Gefüge: Die Vielfalt nimmt ab, während die Stadtteile zunehmend von homogenen, gut verdienenden Gruppen geprägt werden. Wie NUME.ch berichtet, lässt sich dieser Prozess mittlerweile in zahlreichen Schweizer Städten und Kantonen beobachten – besonders dort, wo Wohnraum knapp ist und städtische Entwicklung auf hohe Nachfrage trifft.
In der Schweiz ist Gentrifizierung ein vergleichsweise neuer, aber deutlich zunehmender Prozess, der sich seit den frühen 2000er-Jahren zuerst in urbanen Zentren wie Zürich, Basel, Lausanne und Genf zeigte. Mittlerweile beobachten Experten gentrifizierende Tendenzen auch in mittelgroßen Städten wie Luzern, Winterthur oder St. Gallen.
In der Schweiz ist Gentrifizierung vor allem in städtischen Zentren wie Zürich, Genf, Basel oder Lausanne zu beobachten, wo die Wohnraumknappheit besonders ausgeprägt ist. Laut dem Bundesamt für Statistik ist die durchschnittliche Leerwohnungsziffer schweizweit auf nur 1,15 % (2024) gesunken – in Städten wie Zürich liegt sie sogar bei unter 0,4 %. Gleichzeitig stiegen die Mietpreise in Zürich zwischen 2010 und 2023 um über 36 %, in Genf um knapp 30 %. Investoren und institutionelle Anleger konzentrieren sich daher zunehmend auf ehemals einfache Quartiere mit Sanierungspotenzial. Die urban geprägte Mittelschicht sucht bewusst nach einem Lebensstil, der zentrale Lage, gute Anbindung, Cafés, Kultur und sichere Wohnqualität vereint – Merkmale, die sanierte Arbeiterquartiere nach und nach bieten. Diese Entwicklung verstärkt den Druck auf einkommensschwächere Haushalte, die sich zentrale Wohnlagen kaum noch leisten können.
Wie begann Gentrifizierung in der Schweiz
Die erste Welle städtischer Aufwertung begann in der Schweiz in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren, etwa in Zürichs Kreis 4 und 5. Damals galten diese Stadtteile als sozial belastet – geprägt von Kriminalität, Migration und wenig gepflegtem Wohnraum. Nach gezielten städtischen Investitionen, etwa in die Europaallee oder die Umgestaltung der Langstrasse, änderte sich das Bild rapide: Immobilienpreise stiegen, Studierende, Kreative und später Start-up-Mitarbeitende zogen zu – und verdrängten schrittweise alteingesessene Mieter.
Ein ähnlicher Verlauf zeigte sich in Basel-St. Johann, wo die Nähe zu Forschungsinstituten und Pharmaindustrie zur Aufwertung führte. Auch Lausanne (Flon-Viertel) entwickelte sich vom verlassenen Industrieareal zum trendigen Zentrum mit Bars, Galerien und Co-Working-Spaces – jedoch auf Kosten günstiger Mieten.
Beispiele für Gentrifizierung nach Kanton
Kanton | Stadt | Gentrifizierte oder gefährdete Quartiere |
---|---|---|
Zürich | Zürich | Kreis 4 (Langstrasse), Wipkingen, Seefeld |
Basel-Stadt | Basel | St. Johann, Matthäus, Teile von Kleinbasel |
Waadt (VD) | Lausanne | Flon, Sous-Gare, Chailly |
Genf (GE) | Genf | Jonction, Pâquis, Plainpalais |
Luzern (LU) | Luzern | Neustadt, Tribschen |
Bern (BE) | Bern | Breitenrain, Länggasse (Anzeichen), Lorraine |
St. Gallen (SG) | St. Gallen | Innenstadt, St. Georgen |
Zürich | Winterthur | Töss, Grüze, Innenstadt (erste Dynamik) |
In der Westschweiz (Romandie) ist Gentrifizierung teilweise weniger sichtbar, aber durch höhere Mieten und Verdichtung ebenso präsent wie in der Deutschschweiz.
Besonderheiten der Gentrifizierung in der Schweiz
- Starke kantonale Unterschiede: In der Schweiz haben Kantone und Gemeinden grosse Entscheidungskompetenz. Während Zürich mit städtischen Genossenschaften gegensteuert, gibt es in anderen Städten kaum soziale Wohnungsangebote.
- Wenig gesetzlicher Mieterschutz: Im Vergleich zu Deutschland fehlt ein flächendeckender Mietpreisdeckel. Die Gentrifizierung verläuft deshalb oft schneller.
- Baukultur und Sanierungspolitik: Denkmalpflege und Energiestandards fördern oft Sanierungen – und treiben dabei die Gentrifizierung an.
- Versteckte Verdrängung: Statt sichtbarer Räumungen gibt es sogenannte „sanfte Verdrängung“ – durch steigende Nebenkosten, Kündigungen wegen Eigenbedarf oder Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Gentrifizierung für Kinder erklärt – mit Beispielen aus der Schweiz
Stell dir vor, du wohnst in einem alten, aber gemütlichen Haus in der Stadt. Es gibt einen kleinen Spielplatz, einen Kiosk, einen Coiffeur, und viele Nachbarn kennt man schon lange. Alles ist nicht neu, aber es fühlt sich wie Zuhause an.
Eines Tages kommen Bauarbeiter. Die Häuser werden renoviert: neue Fenster, frische Farbe, schöne Balkone. Bald ziehen neue Leute ein. Sie fahren schicke Fahrräder, gehen in moderne Cafés und kaufen in teuren Bioläden ein. Die Miete wird teurer – und manche Familien müssen wegziehen, weil sie das nicht mehr bezahlen können.
Das nennt man Gentrifizierung. Ein Stadtteil wird moderner und teurer, aber viele Menschen, die dort lange gewohnt haben, müssen umziehen.
Beispiel 1: Zürich – Kreis 4 (Langstrasse)
Früher war das Langstrassen-Viertel ein bunter Ort mit Menschen aus vielen Ländern. Es gab günstige Läden und kleine Wohnungen. Heute gibt es dort teure Boutiquen, Hotels und moderne Cafés. Die Mieten sind so hoch, dass viele Familien in andere Teile von Zürich ziehen mussten.
Beispiel 2: Basel – St. Johann
In St. Johann wohnten früher viele Arbeiterfamilien. Es war ein einfaches Quartier mit alten Häusern. Dann baute die Stadt neue Straßen und Parks. Viele neue Menschen kamen. Heute gibt es dort moderne Wohnungen – aber nicht mehr so viele günstige Mietwohnungen wie früher.
Beispiel 3: Lausanne – Quartier du Flon
Das Viertel Flon war früher ein Lagerplatz mit alten Industriehallen. Es war leer und ruhig. Jetzt ist es ganz modern – mit Läden, Restaurants und einem Kino. Die Umgebung wurde schön gemacht, aber für viele ist es zu teuer geworden, um dort zu wohnen.
Die Gentrifizierung in der Schweiz ist kein Massenphänomen wie in New York oder Berlin – aber sie ist real, zunehmend sichtbar und nicht mehr nur ein Problem der großen Städte. Ihre Dynamik ist eng mit kantonaler Politik, Wohnraumplanung und dem sozialen Verständnis von Stadtentwicklung verbunden. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen droht vielen Quartieren in der Schweiz ein Verlust an Vielfalt, sozialem Zusammenhalt und bezahlbarem Wohnraum.
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