Der seit Längerem schwelende Konflikt zwischen Washington und Brüssel über Europas digitale Regulierung ist in eine neue, deutlich konfrontativere Phase eingetreten. Erstmals haben die Vereinigten Staaten grosse europäische Unternehmen namentlich genannt und zugleich mit möglichen Gegenmassnahmen gedroht, sollten die EU-Digitalgesetze weiterhin konsequent durchgesetzt werden. Damit verschiebt sich der Streit von einer grundsätzlichen regulatorischen Auseinandersetzung hin zu direktem politischen Druck auf einzelne Konzerne. Darüber berichtet Nume.ch unter Berufung auf offizielle Stellungnahmen des Büros des US-Handelsbeauftragten sowie Recherchen des Wall Street Journal.
Vorwürfe aus Washington: Benachteiligung US-amerikanischer Anbieter
In einem öffentlich auf X veröffentlichten Beitrag wirft das Büro des US-Handelsbeauftragten unter Leitung von Jamieson Greer der Europäischen Union sowie einzelnen Mitgliedstaaten vor, US-Unternehmen durch die Anwendung des Digital Services Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA systematisch zu benachteiligen. Während diese Kritik bereits früher geäussert wurde, geht die aktuelle Stellungnahme deutlich weiter: Erstmals werden konkrete europäische Unternehmen namentlich genannt, darunter Spotify, DHL, SAP und Siemens sowie Accenture, Amadeus, Capgemini und Publicis.
Nach Darstellung der US-Regierung hätten diese Konzerne bislang einen „freien und ungehinderten Zugang“ zum US-Markt und zu amerikanischen Konsumentinnen und Konsumenten. Dieser Zugang könne jedoch überprüft werden, falls die EU weiterhin Massnahmen ergreife, die aus Sicht Washingtons die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Dienstleister einschränken. Als mögliche Reaktion nennt die US-Seite unter anderem neue Gebühren, regulatorische Hürden oder Einschränkungen für ausländische digitale Dienstleistungen. Zugleich wird davor gewarnt, dass auch andere Staaten, die ein ähnliches Regulierungsmodell wie die EU verfolgen, mit vergleichbaren Konsequenzen rechnen müssten.
Reaktion der EU und zunehmende transatlantische Spannungen
Die Europäische Kommission weist die Vorwürfe entschieden zurück. Gegenüber dem Wall Street Journal erklärte eine Sprecherin, die Regelungen des DSA und DMA gälten gleichermassen für alle Unternehmen, unabhängig von deren Herkunft. Ziel der Gesetzgebung seien fairer Wettbewerb, Verbraucherschutz und mehr Transparenz in digitalen Märkten – nicht die Diskriminierung einzelner Länder oder Konzerne.
Der Konflikt verdeutlicht einen grundlegenden Gegensatz zwischen den regulatorischen Ansätzen Europas und der Vereinigten Staaten. Während die EU auf strikte Aufsicht über marktmächtige Plattformen setzt, interpretiert Washington diese Regeln zunehmend als wirtschaftspolitisches Instrument, das vor allem US-Unternehmen treffe. Bis vor Kurzem hatte die US-Regierung versucht, über Handelsgespräche Druck auszuüben, etwa durch mögliche Erleichterungen bei Zöllen auf Stahl und Aluminium. Die öffentliche Nennung europäischer Konzerne stellt nun eine neue Eskalationsstufe dar und erhöht den Druck auf Unternehmen beidseits des Atlantiks erheblich.
Auch auf politischer Ebene ist das Thema angekommen. Deutschlands Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte bei Gesprächen mit US-Handelsminister Howard Lutnick bereits für Erleichterungen bei der Anwendung von DSA und DMA geworben. Die jüngsten Drohungen aus Washington deuten jedoch darauf hin, dass sich der Ton weiter verschärfen könnte.
Bleiben Sie informiert – Relevantes. Jeden Tag. Lesen Sie, worum es heute wirklich geht: Backpacking: Rucksack-Tipps für Reisende – Abenteuer in den Städten der Schweiz.








